Rupprecht Geiger, Ohne Titel, Siebdruck auf weißem Maschinenbüttenpapier, 1995, 85 x 75 cm, Privatbesitz, Gesamtansicht, vor der Restaurierung (Schadensbereich markiert)
Arbeit mit einer Akupunkturnadel
Betrachtungsabstand, vor der Restaurierung
Betrachtungsabstand, nach der Restaurierung
Unter dem Makroskop (1), vor der Restaurierung
Unter dem Makroskop (1), nach der Restaurierung
Unter dem Makroskop (2), vor der Restaurierung
Unter dem Makroskop (2), nach der Restaurierung

Kleiner Eingriff – große Wirkung

Dieser Siebdruck Ohne Titel aus dem Jahr 1995 wurde von dem Künstler Rupprecht Geiger in pinker und gelber Tagesleuchtfarbe gedruckt. Geiger (1908–2009) war einer der ersten Künstler, der in den 1950er Jahren mit den neuen, leuchtstarken Pigmenten arbeitete. Tagesleuchtfarben wurden für seine Kunst sogar charakteristisch. Noch heute bewahrt das Archiv Geiger (https://www.archiv-geiger.de/) einige seiner leuchtkräftigen Pigmentvorräte in seinen ehemaligen Atelierräumen auf. Das Besondere an diesen synthetisch hergestellten Pigmenten sind die darin eingebundenen Fluoreszenz-Farbstoffe. Sie absorbieren die für das menschliche Auge unsichtbare, im natürlichen Tageslicht enthaltene ultraviolette Strahlung und reflektieren sie als längerwellige, für uns sichtbare Strahlung, wodurch der intensive Farbeindruck entsteht. Der Siebdruck – er füllt das ganze Papier – zeigt diese Wirkung eindrücklich. Der Siebdruck kam an unseren Studiengang, weil der pink gedruckte Bereich durch einen dunklen Kratzer beeinträchtigt war. Obwohl nur 5 cm lang, störte er die optische Wirkung des fast perfekt monochromen Bildes. Auf dem dritten Bild, das einer nahen Betrachtungsabstand entspricht, kann man den Kratzer sehen. Die Kratzspur mit schwarzen und weißen Ablagerungen ist bei hoher Vergrößerung unter dem Mikroskop gut erkennbar.

 

Die in der Kratzspur eingebetteten schwarzen Partikel wurden einzeln mit Hilfe einer Akupunkturnadel abgelöst und mit der Spitze eines speziellen Knetgummis ohne Berührung der unverletzten Druckoberfläche abgehoben. Diese diffizile Arbeit hat einige Zeit in Anspruch genommen, weil die Partikel unterschiedlich fest hafteten, man die Bewegung der Nadel jeweils anpassen und gleichzeitig die empfindliche Druckfarbe vor weiteren Veränderungen schützen musste. Durch diese Bearbeitung konnte die Kratzspur fast unsichtbar gemacht werden, sodass der Siebdruck wieder befreit von dieser optischen Störung wirken kann, entsprechend Rupprecht Geigers pointiertem Ausspruch von 1981: „Alleiniges Thema meiner Malerei ist die Farbe, sie selbst ist das Motiv.“ (Klein 1993, S.28)

Entstanden in

mit Prof.in Dr. Irene Brückle

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Diese Arbeit wurde 2019 als Projektarbeit im Masterstudium von Karen Köhler durchgeführt.